Obwohl die Zahl der philosophischen Praxen in den USA, in Deutschland und in Österreich ständig im Anwachsen ist, wird diese Frage oft gestellt und sie ist gerechtfertigt. Wer sich durch die Websites etwa der österreichischen Praxen durchgoogelt, wird auf eine erstaunliche Vielfalt des Angebotes an philosophischen Dienstleistungen stoßen – das Spektrum reicht vom problemorientierten philosophischen Zweiergespräch bis zu gemeinsamen Aktivitäten im Feld der intellektuellen und körperlichen Wellness und der Politik- bzw. Industrieberatung.

Eines ist wohl den Betreibern und Betreiberinnen philosophischer Praxen gemeinsam: die Kenntnis des Kanons der praktischen Philosophie, das Respektieren ihrer Eigenart innerhalb der Philosophie und der Wille, die Erkenntnisse des Kanons zu nützen, um den Besuchern oder den Klienten qualifizierte Hilfe zu geben.

In philosophischen Praxen – der Begriff wurde 1981 von Gerd B. Achenbach geprägt – wird also praktisch philosophiert, es geht nicht um Namen aus der Geistesgeschichte, sondern der Schatz der philosophischen Tradition wird auf konkrete Situationen angewandt. Da liegt wohl die größte Abgrenzung zur akademischen Philosophie, in der die StudentInnen hauptsächlich etwa überPhilosophie, oder gar nur über das Werk einzelner Philosophen und Philosophinnen lernen, aber kaum argumentativ sauber ein konkretes Problem lösen – auch problemorientierte Diplomarbeiten referieren häufig traditionelle Lösungen, entscheiden sich für eine und reichen eine Begründung nach. Der philosophische Praktiker, die Praktikerin, sind weder gutmenschliche Besserwisser, noch smarte Alleswisser, noch Nerds, die in einen Toten eingesponnen sind, sondern lebenszugewandte Menschen, die studiert haben, wie ihre Vorgänger versucht haben, Probleme zu lösen. Und zwar auch alltägliche!

Ein mögliches Motto, um die Brücke zwischen dem hehren Wort „Philosophie“ und den alltäglichen und geschäftlichen Problem, um die es in den philosophischen Praxen geht, zu begründen ist wohl der berühmte Satz Ludwig Wittgensteins:

„Ein philosophisches Problem hat die Form: ich kenne mich nicht aus.“

Das ist die Situation von Besuchern einer philosophischen Praxis: manchmal ist es eine akute Krise, eine schon lange verschleppte Frage soll gelöst werden, manchmal steht eine Veränderung an und die Optionen müssen durchdiskutiert werden, manchmal ist es bloß die Irritation vor einer anstehenden Entscheidung, die eine „second opinion“ sucht. Und so kommt man – etwa motiviert durch Bekannte, die gute Erfahrungen mit diesem Verfahren haben – auf die Idee, zum anstehenden Problem einmal einen Philosophen oder eine Philosophin zu konsultieren. Aus dem ratlosen „Ich“ wird in der Praxis ein „wir“, der Besucher und der Philosoph, wir kennen uns zunächst nicht aus.

Trotz des Vorurteils von der einsamen Denkarbeit am Schreibtisch gegen die Philosophie: wer mit und in ihr lebt, ist in der Regel ein neugieriger Mensch; das Bild vom wirklichkeitsfremden Autisten ist eine Karikatur. Philosophie ist seit Sokrates ein öffentliches und dialogisches Projekt. Das Buch spielt in der philosophischen Praxis keine so große Rolle. Wesentlich ist der Dialog, in dem der Klient – sei es eine Person, eine Gruppe oder eine Institution – zentral steht, in dem er/sie sich, seine Person und sein „Sich-nicht-auskennen“ vor einem qualifizierten, ihm voll zugewandten Zuhörer darstellt.

Hier findet also keine Lebensberatung statt, und schon gar nicht eine Psychotherapie, denn in der philosophischen Praxis kooperieren keine unbewussten Faktoren, sondern Leitern und Klienten ist die Überzeugung von der Vernunft als zentralem Problemlösungsmittel gemeinsam. Freud hat ja im Übrigen seine Ideen vom Unbewussten, das im „weiten Land der Seele“ regiert, aus der Philosophie übernommen – und umgekehrt hat die Philosophie viel von ihm und seinen Nachfolgern gelernt. Freuds Projekt, dass dort, wo „Es“ war „Ich“ sein soll, kann wohl auch als Motto über den Eingängen der philosophischen Praxen stehen, wenn auch der Ansatz ein anderer ist. Das philosophische Gespräch ist stärker im Hier und Heute positioniert als die Psychoanalyse, es will nicht heilen, sondern einfach bei einem Problem – einem persönlichen, einem beruflichen oder einem wirtschaftlichen – helfen, den Schatz der praktischen Philosophie nutzbar zu machen. Die intellektuell registrierbare Aufdeckung eines Widerspruchs in der aktuellen Argumentation und die daraus resultierende bewusste – gemeinsame – Ratlosigkeit sind ihm wichtiger als das Unbewusste.

Die Philosophie ist eine Jahrtausend alte Kulturtechnik, entwickelt von Männern und Frauen, die Wege zu einem glücklichen und gerechten Leben suchten. Sie ist entstanden aus der Sorge um sich selbst und um das Gemeinwesen, sie zielt aufs Ganze und ihr Anwendungsfeld ist breit. Nur scheinbar ist sie in Hörsälen und dicken Wälzern begraben, sie gehört jedem und fühlt sich unter Menschen, auf der Straße, in Betrieben oder in Beziehungen am wohlsten. Es gibt die berühmten großen Worte, die eine hohe „Google-Präsenz“ sichern: konkrete Probleme im freien Gespräch konkret bewusst machen und Lösungshilfe leisten, Wege zur Wahrheit und zur sinnvollen Existenz finden, das interpretative Wissen, die ästhetische Komponente der Existenz erkennen, die Seelenruhe, das Staunen und die philosophische Veralltäglichung von Grenzsituationen, das pluridisziplinäre Annehmen der modernen Komplexität, die Hilfe bei Identitätsfindung und Fixierung, das qualifizierte Aufweisen von Alternativen, das Wissensmanagement und das Kreativitätstraining und schließlich der gesunde und nachhaltige Lebensstil. Das – und vieles anderes – mag sich im guten Fall nach der Konsultation einer philosophischen Praxis ereignen, und dennoch sind die schicken Begriffe unzureichend, denn das zentrale ist die Mobilisierung einer zeit- und problemgemäßen Vernunft, alles andere sind veränderliche Derivate.

Nochmals: Niemand soll sich also von dem Wort „Philosophie“ schrecken lassen. Der Zugang zur Philosophie ist einfacher, als mancher denkt: Sobald man/frau das Gefühl einer existentiellen Unsicherheit zulässt, darüber nachdenkt und versucht, die dabei klar werdenden Widersprüche kreativ zu integrieren, philosophieren sie. Auf der anderen Seite wollen wir das aber auch nicht verharmlosen: ein philosophisches Gespräch ist keine Beratung für den Bausparvertrag, und es kann eine Wahrheit zu Tage bringen, die im ersten Moment unangenehm ist, deren Bewältigung aber Voraussetzung einer Lösung ist.

Manchen ist das von sich aus gegeben, manche brauchen Unterstützung um mit Freude und Neugier das Gewohnte spannend zu finden und das Ungewohnte zu meistern. Also wollen wir bei Ihrem Besuch in der Philosophischen Praxis Klarheit über Fragen, die Sie bedrängen, herstellen und die Optionen prüfen, um nachhaltig und ganzheitlich Erfolg und Zufriedenheit in einer sinnvollen und gerechten Lebensstruktur zu erreichen. Übrigens: Gespräche können auch – nicht nur bei Thomas Bernhard und der Peripatetischen Schule – im „Gehen“ stattfinden; mens sana in copore sano! Wenn das Ergebnis uns beide überrascht, dann kann man das wohl einen Erfolg nennen.