Das Studium der Philosophie ist ein stark interessendiktiertes – umso größer ist die Frustration der Studentinnen und Studenten, wenn sie zu realisieren beginnen, dass die Chancen innerhalb ihres Studienfeldes zu arbeiten, selbst bei Bereitschaft ins Ausland zu gehen, gering sind. Die Universitäten erneuern ihr Personal gewissermaßen im Generationenzyklus, die Krise der öffentlichen Haushalte bewirkt, dass selbst Einsteigerposten lange Zeit unbesetzt bleiben und schließlich ist die mittlerweile gesamteuropäische Konkurrenz gewaltig. Nur wenige schaffen es an die Uni, manche in fachfremden Positionen, um sozusagen den Fuß in der Tür zu haben, oder als – schlecht bezahlte – Lehrbeauftragte. Daneben existiert das klassische Berufsfeld der MittelschullehrerInnen, von denen allerdings viele – so sie nicht ein „attraktives“ Zweitfach haben, über Stundenmangel oder die fehlende Chance auf schulfeste Stellen klagen.

Da bietet sich die Tätigkeit in – oder das Betreiben – einer „Philosophischen Praxis“ als Alternative an. Gerd Achenbach hat dieses Konzept 1981 entwickelt. Seine Schriften und seine Internetauftritte zeigen, wie er vorgeht und welchen Erfolg er dabei hat. In jedem Fall: Ob als Haupt- oder als Nebenberuf betrieben – ist eine „Philosophische Praxis“ eine attraktive Tätigkeit für Menschen, die die Philosophie lieben, bereit sind, das gelernte praktisch anzuwenden und gerne mit Menschen – einzelnen, Gruppen oder Institutionen – zu arbeiten. Die Konfrontation des akademisch gelernten mit alltäglichen oder außeralltäglichen Konfliktlagen, die Erfahrung, dass man als Philosoph eingreifend Konstellationen beeinflussen kann – das ist ein schönes Erlebnis.

Die Zahl der in Wien und in Österreich situierten „Philosophischen Praxen“ ist überschaubar, ihre Popularität wächst allmählich, der Bedarf ist wohl größer als das Anbot und so ist ein neues, expandierendes Berufsfeld entstanden. Die Situation für „Einsteiger“ ist in dieser Pionierphase einzigartig: Die Mitarbeiter und Betreiber einer „Philosophischen Praxis“ schaffen in gewisser Weise ihr Image, ihr Berufsfeld und dessen institutionellen Rahmen neu – im Augenblick ist das ein ungeschützter, völlig „offener“ Beruf, es gibt keinen vorgezeichneten Karrierepfad und der Erfolg hängt stark davon ab, wie sehr sich der/die Einzelne einbringt.

„Ja, aber kann ich das überhaupt?“ – fragt sich manche/r. Wer die Internetauftritte der österreichischen philosophischen Praxen ansieht, wird auf einen Pluralismus im Ansatz und in der Qualifikation stoßen, das ist wohl auch gut so. Dennoch ist es an der Zeit, den philosophischen Praktikern und Praktikerinnen eine breite Ausbildung anzubieten, die ihnen durch den Beruf hilft und auch ihren Klienten die Sicherheit gibt, dass ihr Begleiter ausreichend qualifiziert ist.

Ein solches Kurrikulum kann man nicht aus dem Boden stampfen, in unserer Philosophischen Praxis arbeitet eine Gruppe von Fachleuten an einem einjährigen berufs- bzw. studienbegleitenden Lehrgang, der die die AbsolventInnen befähigen soll, in diesem Beruf in jeder Beziehung erfolgreich zu sein. Das heißt, wir wollen unseren Kandidaten und Kandidatinnen nicht ein zweites, außeruniversitäres Philosophiestudium anbieten, sondern eine postgraduale Ausbildung, die auf Ihrem Philosophiestudium aufbaut bzw. es im Ausnahmefall begleitet. Ihre philosophische Kompetenz (Dr., Mag., MA, Lehramtsprüfung oder zumindest BA, und absehbare Fertigstellung der philosophischen Masterarbeit) setzen wir für die Aufnahme voraus, der Abschluss der Ausbildung und die Zertifizierung setzt den Studienabschluss voraus. Sicher werden wir im Kurs mit Ihnen gemeinsam das Feld der praktischen Philosophie auf seine Brauchbarkeit für Ihre künftige Arbeit durchgehen. Doch das macht nur einen Teil der angebotenen Ausbildung aus: Klientenzentrierte Gesprächsführung, Umgang mit Gruppen und die wirtschaftliche Führung einer philosophischen Praxis sind ebenso Bestandteile des Curriculums wie das Erarbeiten von Grundlagen der Sachfragen, mit denen Ihre Arbeit sie konfrontieren wird.

 

Kursprogramm 2014/15 (hier zum Download)
Achtung: Anmeldefrist auf vielfachen Wunsch hin verlängert bis 20.8.2014

Allgemeines:

Im Rahmen der „Gesellschaft für angewandte Philosophie“ („gap“) sind österreichweit mehr als zwanzig „Philosophische Praxen“ mit unterschiedlichen Zielsetzungen organisiert. Die Philosophische Praxis Märzstraße hat sich in diesem Pluralismus in den Feldern philosophische Beratung, Veranstaltung von Vorträgen und Seminaren, Organisation einer Schreibwerkstatt, Wirtschafts- und Politikberatung und Organisation nachhaltiger kultureller Events positioniert. Unser Ausbildungsprogramm versteht sich organisatorisch als berufs- und studienbegleitend und inhaltlich als kompetente Anleitung zur Lebenskunst und deren Vermittlung. Es wendet sich an StudentInnen unterschiedlicher Studienrichtungen sowie im Beruf stehende Menschen, die entweder mit einer zusätzlichen Qualifikation im Feld der praktischen Philosophie ihren Ursprungsberuf bereichern oder den ersten Schritt zur Gründung einer eigenen Philosophischen Praxis wagen wollen. Das variable Ausbildungskonzept orientiert sich an den Bedürfnissen – und Voraussetzungen – der TeilnehmerInnen.

Curriculum:

Die Ausbildung umfasst vier Kompetenzblöcke mit folgenden Schwerpunkten:

1.) Philosophische Kompetenz: Wie lese ich philosophische Texte? Einführung in die Geschichte philosophischer Ideen und Systeme. „Welche“ Philosophie(en) helfen der philosophischen PraktikerIn? Wie übertrage ich das Gelesene intellektuell und emotional auf aktuelle Situationen – für mich selbst und andere? Wie kommuniziere ich mein philosophisches Wissen? Wie kann ich damit Menschen im Alltag, im Beruf, im persönlichen Umfeld und bei Veränderungsprozessen helfen?

2.) Emotionale, soziale und kulturelle Kompetenz: Wer bin ich – in der Gruppe; in der Gesellschaft; als KollegIn; als KonsumentIn; im beratenden Philosophischen Gespräch; als TeilnehmerIn an und als OrganisatorIn von kulturellen Aktivitäten? Was bedeutet mir die „Sorge um sich selbst“ im eigenen Leben? Bin ich mit mir „befreundet“? Wie sieht also ein philosophisch inspiriertes „Inventar“ meiner Existenz aus?

3.) Handlungs- und Zuständigkeitskompetenz: Welche Aktivitäten können unter dem Begriff „Philosophische Praxis“ gesetzt werden? Gesetzlich und aus der Perspektive der eigenen Kompetenz betrachtet? Welche Aufgaben kann – und darf – die philosophische Praktikerin /der Praktiker übernehmen? Wo liegen im weiten Feld von Philosophie, Coaching, Kultur und Wirtschaftsberatung die Grenzen der Philosophischen Praxis? Welcher Techniken bedient sie sich in welcher Situation? Das philosophische Gespräch – die mobilisierende Kraft kultureller Aktivität – Organisation von Privatseminaren und Privatunterricht. Wirtschaftsphilosophische Beratung.

4.) Kommerzielle Kompetenz: Philosophische Praxis als Beruf und unternehmerische Aktivität. Rechtsformen – Einzelunternehmer, Ges.m.b.H., Verein, Genossenschaft. Steuerliche Probleme und Subventionen. Marketing, gezielte Pressearbeit, Organisation des Internetauftritts. Bedeutung von Netzwerken. Probleme der Akquisition von KlientInnen. Kalkulation, Honorarnoten und Verrechnungsmodalitäten.

Organisatorisches:

Unterrichtsort: Märzstraße 100/7, 1150 Wien

Beginn der Ausbildung: 1.9.2014 – Dauer: vier Semester – Ende:30.6.2016

Kurszeit: Jeweils vom 1.9. bis zum 30.6. (= 10 Monate pro Ausbildungsjahr); je eine Woche Unterbrechung zu Weihnachten, zu Ostern sowie nach Vereinbarung im September und Februar. Arbeitstreffen zur Lektürebesprechung in den Sommerferien nach Verabredung.

Anforderungen:

– Teilnahme an den Kursen und Blockveranstaltungen.

– Praktizierte Bereitschaft zur Gruppenarbeit.

– Präsentation zweier selbstständiger, unter Supervision eines philosophischen Praktikers durchgeführter, praktischer Unternehmungen im Ausbildungsbereich.

– Abfassen einer schriftlichen Arbeit und Defensio.

Unterricht:

Einmal wöchentlich zwei x 60 Minuten sowie pro Semester zwei Blöcke von Freitag Nachmittag bis Sonntag Nachmittag. Ein Block findet in der Nähe von Horn, der zweite in Wien statt.

Über die Aufnahme entscheiden die Ausbildungsleiter der Philosophischen Praxis Märzstraße nach einem Gespräch über Motivation und Kompetenz der BewerberInnen.

Gruppengröße:

Minimal sieben, maximal 12 TeilnehmerInnen.

Kosten:

270 € pro Person und Ausbildungsmonat.

Bezahlung:

Quartalsmäßig mit Kündigungsfrist. Im ersten Semester erfolgt die Zahlung monatlich verbunden mit einem flexiblen Kündigungsrecht.

Bewerbungsfrist:

15.4. – 15.6. des laufenden Jahres, Anmeldung zum Aufnahmegespräch per Mail. Gruppentreffen in der ersten Juliwoche.

Kontaktmöglichkeiten:

Leitung: Univ.-Prof. Dr. Alfred Pfabigan
Mag. Dr. Stefan Marx