Alle Bereiche der praktischen Philosophie liegen in einem cross-over zwischen der Philosophie und anderen Disziplinen, das gilt besonders für die Wirtschaftsethik. Es scheint, als ob es derzeit einen Konflikt zwischen der Wirtschaftsethik und den Wirtschaftstreibenden gibt. Schuld daran sind populistische selbsternannte Wirtschaftsethiker, die zwar Wirtschaftskompetenz behaupten, aber den Konflikt zwischen Moral und Profit in einer Weise zentrieren, die zeigt, dass ihnen wirtschaftliche Vorgänge fremd sind. „Unternehmensbashing“ ist ein erfolgreicher publizistischer und auch universitärer Geschäftszweig geworden. Als Folge dessen hat sich unter Wirtschaftstreibenden eine nahezu nihilistische Mentalität breit gemacht, sie wollen von der Philosophie nichts hören, weil sie von vorne herein überzeugt sind, dass es hier gegen sie geht. Am Ende haben sie sich in einer Weise eingeigelt, die ihnen, ihrer Person und dem Ruf ihres Unternehmens schadet. Als Gegenbeispiel sei auf den berühmten Think-Tank, die Rand-Corporation, verwiesen. Kreative Teams konzipieren dort so unterschiedliche Dinge wie die optimale Müllabfuhr in Chicago oder ein nationales Spitalssystem. Seit mehr als 60 Jahren sind in den Lösungsgruppen nicht nur Fachleute vertreten, sondern auch Philosophen. Das Selbstverständnis, das man dort hat, geht dahin, dass Problemlösung eine harte Arbeit ist, die keiner aus dem Handgelenk beherrscht. Schnelle Lösungen sind eher ein Kündigungsgrund. Man glaubt dort nicht, dass die Philosophie „die“ Lösung bringt – im besten Fall wird sie dazu beitragen, doch in jedem Fall wird sie mit ihren speziellen Fähigkeiten helfen, die „falsche“ Lösung zu verhindern – auch auf der Ebene der Risikoeinschätzung. Und vor allem: der „Blick von außen“ ist nicht betriebsblind.

Anteilnehmende wirtschaftsethische Beratung arbeitet also nicht mit Unterstellungen, sie schielt nicht auf ein Publikum, das schon das Wort „Profit“ für unmoralisch hält und sie widerkäut nicht das Stereotyp von der Profitmaximierung als einzigem Unternehmensziel – sie kennt auch andere Ziele und weiß vor allem, dass selbst die Profitmaximierung auf verschiedene Weise erreichbar ist. Es gibt ein „fair business“, doch die Frage, wie sich das organisiert, wird nicht mit schnellen Lösungen nach dem Muster: „3 Cent mehr Arbeitslohn für die Näherinnen und die Probleme von Bangladesh sind gelöst“ beantwortet.

Anteilnehmende wirtschaftsethische Beratung respektiert die unternehmerische Aktivität und achtet das damit verbundene Risiko. Sie setzt sich nicht „über“ die Wirtschaftstreibenden, sondern versteht ihre Arbeit als einen Lernprozess auch im eigenen Interesse. Die Probleme von Mischkalkulationen, der Kampf zwischen Forschungs-, Finanz- und Marketingabteilungen, die Konflikte innerhalb von Hierarchieebenen und der generelle Konflikt ums Unternehmensziel sind ihr nicht fremd und sie leistet Hilfestellung bei der Frage, wie ethisches Wirtschaften unter realistischen Bedingungen möglich ist. Wir leben nicht mehr in den Zeiten Immanuel Kants, wo der einzelne Wirtschaftstreibende sein alleinentschiedenes Handeln auf seine Tauglichkeit als allgemeine Maxime prüfen konnte. Im Übrigen: Als Geschäftsmann in Kompanie mit Milton und Green war unser Kant ein recht erfolgreicher Spekulant mit Rohstoffen – ohne ein merkbares Schuldgefühl. Und Voltaire, der das Titelblatt unserer Website ziert, war ein genialer Finanzmanager, der etwa den Ausbau Württembergs finanzierte.

In einer globalisierten Welt entstehen Entscheidungen oft in einer von Innen begründbaren, von außen chaotisch wirkenden Weise. Eine komplexe Wirtschaftssituation erfordert auch ein komplexes – anteilnehmendes – wirtschaftsethisches Denken. Der Gewinn für ein Unternehmen, das sich einer solchen Beratung unterzieht, ist groß: Nicht nur, dass jenes latente schlechte Gewissen, das viele Wirtschaftstreibende quält, lähmt oder gar in den Zynismus treibt, ausgeschaltet wird, sondern auch, dass die wirtschaftsethische Beratung Argumentationen vermittelt, die öffentlichkeitstauglich sind. Es ist ein großer Unterschied im Auftritt eines Unternehmens, ob seine MitarbeiterInnen sich in einer kollektiv defensiven Haltung befinden, oder ob sie selbstbewusst am Marktplatz, dem Entstehungsort der praktischen Philosophie, ihre Bemühungen um ein faires und dennoch zufriedenstellendes Wirtschaften diskursiv vertreten können.